Fadenwerkstatt

keiner kommt ungeschoren davon

Interview mit Astrid Queck

Schafe sind eine der ältesten uns bekanntesten Haustierarten, sie waren unseren Vorfahren sehr wichtig. Das erkennt man schon daran, wie viele Redewendungen es gibt: Vom „Schäfchen zählen“ zum besseren Einschlafen über das „schwarze Schaf der Familie“ bis zur Idee „ungeschoren davon zu kommen“. Schafe sind Bewohner von Streuobstwiesen, Kulturlandschaftspfleger und Wärme-Friedens-Wundertiere. In der Fadenwerkstatt vom 30. Mai bis 1. Juni mit Astrid Queck wird dieser inhaltliche Faden neu gespannt, verdichtet, verknüpft und über die Wiese gewebt.

Eine Schafherde vor einem mittelalterlichen Gasthof. Mitte der 1950er Jahre entstand am
Südrand des Kyffhäusergebirges der DEFA-Film „Thomas Müntzer – Ein Film deutscher Geschichte“. Das
Foto wurde von Peter Schreyer zur Verfügung gestellt. Der damals 8-jährige fotografierte mit Freunden und
Familie in den Drehpausen. Die Schafherde führte der damalige Frankenhäuser Schäfer.

Festspiele: Du lebst mit Deiner Familie im Mansfelder Land in einer ländlich und dörflich geprägten, gleichzeitig durch den jahrhundertelangen Abbau von Bodenschätzen geprägten Landschaft. Die Bergleute waren im Bauernkrieg ja Verbündete der aufständischen Bauern. Kannst Du Dir erklären, warum?

Astrid Queck: Als ich ins Mansfelder Land gezogen bin, fiel mir eine besondere Stimmung des Landwirtschaftens, Lebens und Arbeitens auf. Die Dörfer haben kleine ärmliche Häuser und nur wenige große Bauerngüter. Die Halden prägen die Landschaft, erinnern immer an die schwere Arbeit. Ich denke, die Bergarbeiter und die Bauern waren
damals gleich schlecht gestellt. Sie waren zwar entscheidend für den Wohlstand anderer, hatten aber selbst wenige Rechte und Ressourcen, außer ihrer Arbeitskraft.

Festspiele: Für unsere Werkstatt vom 30. Mai bis 1. Juni 2025 hast Du als Material Wolle ausgesucht. Was möchtest Du damit machen?

Astrid Queck: Wer teilnehmen möchte, kann selbst Fäden spinnen, wirken, das Material neu entdecken. Wir werden ein gemeinsamens Bild in der Landschaft weben oder sticken. Wer in kleineren Formaten arbeiten möchte, bekommt ebenfalls Gelegenheit dazu. Das wunderbare Material Wolle ist nachhaltig, nachwachsend und langlebig. Mit der
Verarbeitung sind viele Traditionen verknüpft. Wir sind auch gespannt, welche Inspirationen in der Begegnung mit dem lokalen Schäfer und der Schäferin und ihren Tieren liegen. Ein anderer Zugang sind die Garnreste (welche fast jede ältere Nachbarin noch hat). Wir sammeln im Vorfeld Wollreste und ihre Geschichten. Was erzählen sie über unsere Leben, für welches Familienmitglied wurde welcher Pullover gestrickt, wieder aufgetrennt und welches Tischtuch wurde in welcher Stimmung bestickt. Welche Ressource stellte das Handwerk neben der Lohnarbeit dar, welche Gestaltungsräume ermöglichte es?

Festspiele: Wir hatten über dieses Foto gesprochen und Du sagtest, dass man Schafe immer irgendwohin stellen kann, weil sie etwas Zeitloses haben. Anders gesagt: Brauchen wir mehr Schafe, um ausgeglichen zu sein?

Astrid Queck: In unserer Zeit sind Schafweiden oft Zwischenräume, fast ungenutzte Flächen, welche eine Erholung für die Umwelt aber auch die menschliche Wahrnehmung sind. Für mich ist das Schaf ein Wärme-Friedens-Wundertier, wo Schafe wiederkäuen, können wir zur Ruhe kommen. Das Schaf ist auch als Individuum sehr ästhetisch, aber die sich in ihrer Vielzahl in der Herde bewegenden Schafe machen die friedliche Dynamik des Bildes aus. In meiner Werkstatt gilt es auch, diesem Bild nach zu gehen und den bedrohten Frieden auf dem Schlachtberg wahr zu nehmen.

Festspiele: Du hast kürzlich mal gesagt, Landwirtschaften ist auch eine Art Kulturerbe. Was meinst Du damit?

Astrid Queck: Ein Beispiel dafür ist, dass es Ende der 90er noch viele ältere Menschen gab, die noch sehr kleine Ponys hielten. Man erzählte mir, diese Tiere waren früher als Arbeitskräfte unter Tage und wurden so zum Partner der einfachen Leute. Also wurde auf dem eigenen kleinen Acker oder der Wiese eine Tradition bewahrt. Auch Schafe und
Ziegen sind sehr alte Partner der Menschen, es sind die ältesten Haustiere. Leider geht die landwirtschaftliche Nutzung mit dem Schaf seit dem Ende der DDR kontinuierlich zurück. Ganz unerwartet bin ich in eine Generation gerutscht, die mit Bienen- und Schafhaltung und Wollverarbeitung auch Kulturtechniken bewahrt. Viele unsere Nachbarn haben ihre kleine Tierhaltung nebenbei aufgegeben, lächeln über unser Tun, sie wollen frei sein in ihrer Lebensgestaltung, ungebunden, auch Ernährung ist einfacher, wenn sie nicht aus dem eigenen Garten oder Stall kommt. Dieses Ungebundensein macht mich nachdenklich, denn Leben mit Tieren heißt Gebundenheit an Flächen und Wachstum, an Zeit, an Wetter und Licht und ist für mich ein unendlicher Schatz der Achtsamkeit für unsere Umwelt.

Wer teilnehmen möchte, kann selbst Fäden spinnen, wirken, das Material neu entdecken. Wir werden ein gemeinsamens Bild in der Landschaft weben oder sticken. Wer in kleineren Formaten arbeiten möchte, bekommt ebenfalls Gelegenheit dazu. Das wunderbare Material Wolle ist nachhaltig, nachwachsend und langlebig. Mit der
Verarbeitung sind viele Traditionen verknüpft. Wir sind auch gespannt, welche Inspirationen in der Begegnung mit dem lokalen Schäfer und der Schäferin und ihren Tieren liegen. 

Werkstattleiterin Astrid Queck

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